Musik­the­ra­pie und die vier Elemente

Den folgen­den Text habe ich 2017 geschrie­ben, er ist am 22.02.2027 in der Zeitschrift Sein erschie­nen (Sein.de). Du kannst ihn hier als PDF-Datei herun­ter­la­den. Bitte beachte die Urheber­rechte und gib bei Zitaten immer die Quelle an:

Musik­the­ra­pie und die vier Elemente als PDF

Christophs Hände mit Zimbeln.

Die Quali­tä­ten der vier Elemente (Erde, Luft, Feuer, Wasser) finden sich auch in der Musik wieder: Wir sprechen von “erdigen Rhyth­men”, “sphäri­schen Klängen”, “fließen­den Melodien” und “feuri­ger Musik”. In der Musik­the­ra­pie können wir diesen Zusam­men­hang erstaun­lich wirkungs­voll nutzen.

Die vier Elemente sind die Grund­be­stand­teile unserer Schöp­fung. Sie stellen die materi­elle Reali­tät dar, in der wir leben und die uns alltäg­lich umgibt. Ihr Ordnungs­prin­zip lässt sich in anderen Berei­chen wieder­erken­nen. Übertra­gen auf die Psycho­lo­gie und die Musik ergeben sich daraus wertvolle Erkennt­nisse für die Musiktherapie.

Musik­the­ra­pie: Rhyth­mus – Klang – Melodie – Dynamik

In der Musik unter­schei­den wir vier verschie­dene Aspekte, nämlich Rhyth­mus, Klang, Melodie und Dynamik – auch musika­li­sche Parame­ter genannt. Dies sind die „Bausteine“, aus denen Musik besteht. Der grund­le­gende Baustein scheint dabei der Klang zu sein, denn ohne ihn könnten wir keine Musik hören. Musik überträgt sich beim Hören überwie­gend über das Element Luft, das uns überall umgibt und mitein­an­der verbin­det. Die Entspre­chun­gen der vier Elemente mit den Parame­tern der Musik lassen sich leicht erken­nen: Erdige Rhyth­men regen uns zum Tanzen an und lassen uns den Boden unter den Füßen deutlich spüren. Luftig leichte Klänge können uns inner­lich weiten. Eine schöne Melodie, die wie Wasser dahin­fließt, kann uns zu Tränen rühren, und eine feurige Fanfare lässt uns aufhor­chen und weckt Energie in uns.

Das Element Erde in der Musik: Rhyth­mus und Beständigkeit

Rhyth­mi­sche Musik hat einen erdigen Charak­ter und regt zum Tanzen an. Wir kommen beim Hören in Bewegung und somit in Kontakt mit unserem Körper. Das rhyth­mi­sche Stamp­fen lässt uns den Boden unter den Füßen spüren. Unsere Kraft strömt in Richtung Erde und aus der Erde strömt Kraft zurück. Die Erde ist (räumlich) stark struk­tu­riert und hat vielfäl­tige Formen. Rhyth­mus gibt der Musik ihre (zeitli­che) Struk­tur. Der Rhyth­mus unseres Herzschlags ist bestän­dig da. Einen Rhyth­mus von dieser Quali­tät zu hören oder auf einer Trommel zu spielen, gibt uns ein Gefühl von Sicher­heit und Beständigkeit.

Da, wo es uns an Boden fehlt – wenn z.B. Gefühle von Unsicher­heit und Angst vorherr­schen – können wir mit rhyth­misch gespiel­ter Musik einen Ausgleich schaf­fen und wieder mehr „Boden unter die Füße bekom­men“. Wenn wieder mehr Sicher­heit da ist, können wir uns auch unseren Ängsten besser stellen. Ein Übermaß an „Erde“ kann sich in Sturheit oder Schwer­mut äußern. Von einer siche­ren (rhyth­mi­schen) Basis können wir dann musika­lisch Neuland betre­ten und mit luftig leich­ten Klängen experi­men­tie­ren und so wieder mehr Weite und Leich­tig­keit erleben.

trommelde Hände

Das Element Luft in der Musik: Klang und Weite

Klänge haben etwas Sphäri­sches und können Stimmun­gen und Atmosphä­ren ausdrü­cken. Sie haben den Charak­ter von etwas Allge­gen­wär­ti­gem, das man aber oft nicht präzise (be-) greifen kann, da es keine deutli­che Struk­tur hat. Klänge sind wie Luft und breiten sich im Raum sofort aus und füllen ihn. Klang­li­che Musik regt uns zum Träumen an. Sie führt uns in die Weite unseres Geistes. Am Klang unserer Stimme erken­nen wir, wie es uns geht – wie unsere „Stimmung“ ist. Wir nehmen – oft unbewusst – die feins­ten Schwan­kun­gen in der Stimmung unseres Gegen­übers wahr. Der Klang von Blasin­stru­men­ten, deren Ton durch unsere Atemluft entsteht, ist der der mensch­li­chen Stimme am nächs­ten. Mit diesen Instru­men­ten sind wir beim Spielen sehr direkt verbun­den und zeigen uns damit – wie beim Singen mit unserer Stimme — am persönlichsten.

Und so können Klänge gezielt einge­setzt werden: Der Ton einer Klang­schale hilft uns durch seine Gleich­mä­ßig­keit, uns geistig zu sammeln. Im Klang des Monochords und beim Oberton­ge­sang können wir in einem einzel­nen Ton ein ganzes Univer­sum von Obertö­nen entde­cken und so innere Weite erleben. In einer Klang­reise können wir lernen tief zu entspan­nen, loszu­las­sen, zu träumen, uns unserer Phanta­sie hinzu­ge­ben und Visio­nen zu entwickeln.

Das Element Wasser in der Musik: Melodie und Hingabe

Eine Melodie kann so wunder­schön dahin fließen, uns emotio­nal bewegen und manch­mal sogar zu Tränen rühren. Sie vermag tiefe Gefühle in uns anzuspre­chen, so tief wie ein Bergsee. Schöne Melodien fühlen sich manch­mal an wie ein warmes Bad. Wir baden sprich­wört­lich in Gefüh­len. Ein weinen­des Kind (vielleicht auch unser eigenes inneres Kind) können wir mit einer schlich­ten gesun­ge­nen Melodie trösten und ihm so Gebor­gen­heit vermit­teln. Die fließen­den Melodie­be­we­gun­gen in der Musik Johann Sebas­tian Bachs wirken ordnend und beruhi­gend auf unsere Gefühle. „Die Moldau“ von Smetana mit ihren wunder­schö­nen Melodien beschreibt eindrucks­voll den Verlauf des Flusses von der Quelle bis zur Mündung.

Wasser ist Leben und es erinnert uns an unsere Herkunft: wir wachsen schwe­re­los im Frucht­was­ser des mütter­li­chen Uterus heran und finden in den Weltmee­ren die frühes­ten Formen der irdischen Lebewe­sen überhaupt. Entspre­chend haben Melodien die Eigen­schaft, sich tief in unser Gedächt­nis einzu­prä­gen. Wir erinnern uns noch im hohen Alter an Lieder, die wir in unserer Kindheit und Jugend gesun­gen und gehört haben.

Wenn wir lernen wollen, unsere Gefühle zu entde­cken und auszu­drü­cken, können wir Lieder singen, mit Tönen und Melodien spielen und uns von ihnen berüh­ren lassen. Im geschütz­ten Rahmen können wir mit unserer Stimme experi­men­tie­ren und zeigen uns so auf eine sehr persön­li­che Art und Weise. Gefühle zu zeigen macht uns leben­di­ger, nahba­rer und authentischer.

Das Element Feuer in der Musik: Dynamik und Willenskraft

Kennen Sie Beetho­vens Fünfte? Die feurige Musik der Sinti und Roma? Oder die Fanfa­ren bei den Gladia­to­ren­kämp­fen in „Ben Hur“? Dann wissen Sie, wie dynamisch diese Musik ist und wie anregend sie wirken kann! Da ist Feuer drin. Es ist die starke Dynamik, die dieser Musik haupt­säch­lich ihren Charak­ter gibt. Der schnelle Wechsel von laut und leise, rasch anschwel­lende Crescendi (lauter werden) und laute Akzente geben der Musik eine sehr starke Kontur und den Eindruck von viel Kraft und Energie. Wie ein Feuer­werk kann sie uns fesseln und in ihren Bann ziehen. Sie bringt uns mit unserer Aufmerk­sam­keit ins Hier und Jetzt.

Für einen eher angepass­ten und zurück­hal­ten­den Menschen, der lernen möchte, sich anderen gegen­über zu behaup­ten, kann es sehr spannend sein, mit der Dynamik in einer gemein­sa­men Impro­vi­sa­tion zu experi­men­tie­ren. Indem er eigene Akzente setzt und die Lautstärke bewusst bestimmt, kann er sein Feuer entde­cken und Erfah­run­gen mit seiner Durch­set­zungs­kraft machen. Auch mit Gefüh­len wie Wut, Ärger und Zorn können wir musika­lisch experi­men­tie­ren und dabei inter­es­sante Erkennt­nisse über uns gewin­nen. Wo sind wir blockiert? Wo sind unsere blinden Flecken? Wo unsere wunden Punkte? Und wie können wir damit umgehen?

Die vier Elemente in der Musiktherapie

Die vier Elemente bieten für die Musik­the­ra­pie eine Orien­tie­rung, die sich gut nutzen lässt, um Menschen bei ihrer persön­li­chen Verän­de­rung zu unter­stüt­zen. Es geht dabei in erster Linie um die Erfah­rung und Integra­tion unserer ganzen mensch­li­chen Reali­tät. Es geht ums Ganzwer­den bzw. um das Erken­nen, dass wir schon ganz sind und unsere verdräng­ten Anteile entde­cken und erfor­schen können. Nicht nur unsere Kogni­tion wird angespro­chen, sondern auch unser Körper, unsere Wahrneh­mung und unser Erleben. Das lustvolle und spiele­ri­sche Erkun­den steht im Vordergrund.

Leicht spiel­bare Instru­mente aus den verschie­dens­ten Kultu­ren laden ein zu Entde­ckungs­rei­sen in die Welt der Geräu­sche, Klänge, Rhyth­men und Melodien. Einfa­che und spannende Spiele unter­stüt­zen dies und ermög­li­chen auch Ungeüb­ten musika­li­sches Zusammenspiel.

In Klang­rei­sen ermög­li­chen die archai­schen Klänge ursprüng­li­cher Instru­mente (Tamtam, Rahmen­trom­mel, Monochord, Ocean­drum u.a.) eine tiefe Entspan­nung und inspi­rie­rende Reisen ins eigene Innere. Wir tauchen ein in eine innere Traum­welt. So können wir Kraft tanken und neue Impulse für unser Leben gewinnen.